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Themen zu Gender und sexueller Vielfalt


01. März 2023

„Sexualität und Gender“ im Rahmen des „protestantischen Korridors“

DRESDEN - Die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) traf sich vom 23.- 25. Februar 2023 in Dresden zu einer Konsultation zum Studienpapier „Hier ist nicht Mann noch Frau… - Eine Einführung ins Thema Gender und Sexualität“. Delegierte der Mitgliedskirchen aus elf Ländern von Dänemark über Tschechien bis zur Ukraine und Italien diskutierten den Entwurf des Papiers unter Leitung von Dr. Oliver Engelhard und Mario Fischer. 

In den letzten 50 Jahren ist die GEKE eine Plattform für ethische Fragen geworden. Kirchen müssen sich umfangreich mit aktuellen Themen auseinandersetzen, Stellungnahmen im Hinblick auf den je eigenen Kontext erarbeiten und Möglichkeiten für eine Orientierung entwickeln.  Die Erfahrungen der Mitgliedskirchen sollen dabei aufgenommen werden. Frau Professorin Ulla Schmidt aus Dänemark beschrieb den Werdegang des Studienprozesses „Sexualität und Gender“.

2018 wurde auf der Vollversammlung der GEKE die Frage gestellt, wie die Mitgliedskirchen mit den Themen von Gender und sexueller Vielfalt umgehen und den damit einhergehenden Veränderungen im Bereich Ehe und Familie, einschließlich queerer Lebensformen. Es entstand ein Studienpapier, das in der Konsultation besprochen, korrigiert und ergänzt wurde.

Das Papier enthält neben theologischen Betrachtungen auf dem Hintergrund der unterschiedlichen Konfessionen jeweils auch Beschreibungen soziologischer, psychologischer, biologischer, anthropologischer Art sowie andere Erkenntnisse. Somit entsteht eine umfangreiche Sammlung verschiedener Perspektiven und Theorien.

Der ethische Ansatz der GEKE wird mit dem Begriff des „Protestantischen Korridors“ am besten beschrieben. Der Korridor gibt einen Rahmen vor, der je nach Kontext gefüllt werden muss. Dies führe nicht zu einer Position, sondern die Rechtfertigung durch Gnade solle in den Betrachtungen Raum finden. Schrift und Tradition müssten durch Erfahrung und Vernunft begleitet werden. Ansonsten wäre die Einheit der Kirchen in Frage gestellt.

Wichtig wäre es, eine Ethik der Meinungsverschiedenheiten zu entwickeln, um im Austausch zu bleiben. Nathalie Eleyth, Theologin und Religionswissenschaftlerin (Ruhr Universität Bochum) sprach für die Gruppe der Junger Theologinnen und Theologen. Sie betonte, dass der protestantische Korridor zu definieren sei, was genau sich innerhalb und außerhalb befände.  Sie lobte die sensible Sprache des Papiers, die klare Haltung zu Diskriminierung gegen LGBTQ-Personen, die Aufnahme der Intersektionalitätstheorie und die interdisziplinäre Ausrichtung.

Eine der eher traditionellen Stimmen kam aus der Schlesischen Kirche A.B. in der Tschechischen Republik, Rican Marek meinte, dass der Text Aussagen zur Homosexualität relativiere. Ihm seien die Ehe zwischen Mann und Frauen wichtig, die auf die Reproduktion von Kindern ziele. Es folgte eine Diskussion über die Erfahrung von Unterdrückung Rahmen eines politischen Regimes oder aufgrund von Erfahrungen sexueller Orientierung oder anderer Situationen, die nicht die Mehrheitsvorstellungen in Kirche oder Gesellschaft beinhalteten.

Landesbischof Tobias Bilz betonte in seinem Grußwort „Gott freut sich über uns, statt uns nur liebend auszuhalten. Das gilt auch für unsere sexuelle Identität.“ Die Liebe suche nicht das Ihre, sie bräuchte das Gegenüber. „Unsere Gabe ist auch eine Gabe für andere“. “Küssen kann man nicht alleine“, zitierte er augenzwinkernd Max Rabe. Geschlechtlichkeit sei eine verbindende Gabe, um Bedingungen für unsere Zusammengehörigkeit zu überdenken. Im Galaterbrief werde deutlich, dass Vielfalt lebbar sei in dem Bewusstsein, dass wir zusammengehören und Christus der Bezugspunkt sei. Dies geschehe nicht automatisch, eine Selbstkritik bei Dominanz und Abgrenzung sei nötig, ebenso die Bitte um Vergebung und das aktive Handeln, in dem Hindernisse aus dem Weg geräumt würden, die die Dominanz begünstigen.

Regionalbischöfin Ruth Wolff Bonsirven (Frankreich) stellte das Projekt „Der leere Stuhl“ vor, welches auf Feminizide (Frauenmorde) hinweist.
Die unterschiedlichen Ansichten wurden in Kleingruppen weiter diskutiert. Ausgehend von der Frage, wie in den eigenen Kirchen mit Genderthemen, sexueller Vielfalt, Ehe und Familie, aber auch mit sexuellem Missbrauch und Gewalt umgegangen wird, wurde über die einzelnen Kapitel beraten.

Seitens der sächsischen Landeskirche waren Pfarrerin Annette Kalettka und Kathrin Wallrabe als Gleichstellungsbeauftragte delegiert.
Im September 2023 wird im Rahmen der GEKE-Konferenz über das Papier abgestimmt. Um eine praxisnahe Verwendung gewährleisten zu können wird es eine Zusammenfassung und ein Arbeitspapier mit methodischen Anregungen in den verschiedenen Sprachen der Mitgliedskirchen geben. Kathrin Wallrabe

Weitere Informationen sowie Material zur GEKE finden sich unter: https://www.leuenberg.eu

Nathalie Eleyth (Ruhr Universität Bochum)
Landesbischof Bilz (l.) und GEKE-Generalsekretär Mario Fischer
Regionalbischöfin Ruth Wolff Bonsirven (Frankreich)

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