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Begegnungstag für Aussiedler


15. September 2018

Festveranstaltung – Kulturprogramm – Gottesdienst

PLAUEN – Zum diesjährigen Begegnungstag für Aussiedler wurde am 15. September ins vogtländische Plauen eingeladen. Die Stadt und der Vogtlandkreis unterstützten als Kooperationspartner den Begegnungstag. Die Aussiedlerinnen und Aussiedler in Plauen freuten sich, viele Gäste in ihrer Stadt willkommen heißen zu können. Schließlich nahmen an diesem Tag rund 750 Personen daran teil, von denen die meisten am Vormittag um 10:00 Uhr zur zweisprachigen Begrüßung in der Johanniskirche zusammen kamen.

Die Morgenandacht hielt Superintendentin Ulrike Weyer. Sie bezog sich auf die Jahreslosung, in der es heißt, „Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.“ Die Superintendentin verwies darauf, dass der unbehinderte Zugang zu sauberem Wasser ein Menschenrecht sei. Dagegen sterbe alle 10 Sekunden weltweit ein Kind an fehlendem oder schlechtem Wasser. Die Welt dürste nach sauberem Wasser, aber auch nach Frieden, sagte sie. Sie verwies auf Gottes Hilfe und auf die Quelle als ein Lebensspender, so wie die Heilquellen im Vogtland. Die Teilnehmenden sollten an diesem Tag aus der Quelle des Glaubens schöpfen, so Frau Weyer.

Kultur- und Sozialbürgermeister Steffen Zenner überbrachte Grüße vom Oberbürgermeister. Er sprach die zugewanderten Aussiedler an und wünschte ihnen Kraft, Zuversicht und dauerhaftes Einleben. In der Demokratie der Bundesrepublik Deutschland angekommen, hoffe er, dass sie sich auf dem Boden der Grundordnung in den gesellschaftlichen Kontext aktiv einbringen und die christlichen Werte leben.
Seitens des Landratsamtes überbrachte die Gleichstellungs- Integrations- und Frauenbeauftragte des Vogtlandkreises, Veronika Glitzner, Grüße. Sie erinnerte an die früheren großen Zuzugszahlen und sprach die damit verbundenen Schwierigkeiten der Integration an. In Russland seien sie „Nazis“ gewesen, in Deutschland die „Russen“. Die Lage habe sich aber beruhigt und normalisiert. Für das Vogtland bescheinigte Frau Glitzner eine gute Integration, gerade unter Hilfestellung durch Vereine und den Migrationsdienst der Diakonie. Ganz wichtig sei Begegnung. Sie stärke die Gemeinschaft.

Festveranstaltung im Malzhaus

Nach dem Auftakt begann im Malzhaus die Festveranstaltung unter dem Motto „Heilende Quellen“. Das Steingebäude des jetzigen Soziokulturellen Zentrums Malzhaus entstand in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts auf dem vormaligen Burgbereich. Im Malzhaus begegnen sich Menschen aller Couleur mit verschiedenen Interessen und Hobbys, sie debattieren über Kunst, Kultur und Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Somit war das Kulturzentrum ein passender Ort für die Veranstaltung, die einerseits das Naturerbe der heilenden Quellen aufgriff, aber auch die befreienden Aufbrüche während der friedlichen Revolution. Zudem wurde an das Schicksal von Zuwanderern der letzten Jahre und Jahrzehnte anhand von Einzelbeispielen erinnert.

Zum Auftakt sang der Chor des Interkulturellen Vereins Mostik e.V. aus dem bayerischen Deggendorf. Der gefühlvolle Gesang deutscher und russischer Lieder begeisterte die Zuhörer, bevor Mandy Reinhardt aus Bad Elster von der Chursächsischen Veranstaltungsgesellschaft unter der Überschrift „Heilende Quellen im Vogtland“ die sächsischen Staatsbäder vorstellte. In diesem Jahr sieht Bad Elster auf eine 200-jährige Gesundheitstradition zurück, obwohl der „Elstersäuerling“ als Heilwasser bereits früher bekannt war. Aus einem kleinen Weberdorf habe sich der Ort nach der Ernennung zum Königlich Sächsischen Staatsbad 1848 zu einem Weltbad entwickelt, so Frau Reinhardt. Zu einem solchen Kurbad gehöre bis heute Musik, Kunst und Kultur dazu. Die Heilbehandlung teile sich in Trinkkuren beispielsweise über die Marienquelle oder in Badekuren mit natürlichem Sprudelwasser sowie Moor-und Solebad. Bad Brambach ist dagegen für eine starke Radon-Quelle bekannt.

Zum zweiten Teil der Veranstaltung leitete Oberkirchenrat Friedemann Oehme über, der den Aussiedlertag wieder mitorganisierte. Jetzt ging es unter der Überschrift „Quellen der Freiheit“ um die friedliche Revolution 1989. In Plauen war am damaligen 7. Oktober die erste und größte Massendemonstration in der DDR, die die Sicherheitskräfte nicht unterbinden und zerschlagen konnten. Trotzdem war die Furcht und Beunruhigung groß.

Davon erzählte der Plauener Handwerker Siegmar Wolf, der damals wie viele andere auf die Straße ging und ein selbstgemaltes Transparent hochhielt. Er sei nicht für „Bananen und Reichtum“ das Risiko für sich und seine Familie eingegangen, sondern für Freiheiten und für den Frieden. Seine Protesthaltung entwickelte sich mit den Erfahrungen um die Wahlen im Mai 1989 und über den Kontakt zu Oppositionsgruppen in der Markuskirche. Schließlich sei alles gutgegangen, die russischen Soldaten blieben in den Kasernen, Superintendent Thomas Küttler vermittelte vor den Demonstranten und die Demonstrationen seien jeden Sonnabend bis Frühjahr 1990 weitergegangen.  

Der dritte Teil führte die Präsentation weiter zu „Aufbruch und Hoffnung – Aus welchen Quellen schöpfen wir“. So stellte sich die Leipzigerin Alita Liebrecht vor, die an der Wolga geboren wurde und dann 1941 nach Sibirien verschleppt und interniert wurde. Sie kam nach mehreren Stationen schließlich 1996 mit der ganzen Familie nach Sachsen. Sie habe hier keine schlechten Erfahrungen gemacht. Neben der Familie sei ihr der Freundeskreis sehr wichtig. Als Kraftquelle für ihr Leben nannte sie Gott und Gottes Sohn. Der Glaube sei keine Angelegenheit von heut auf morgen, sondern ein Hineinwachsen. Die Quelle des Glaubens habe ihr „die Familie mitgegeben“.

Der Zugführer der Freiwilligen Feuerwehr in Plauen, Gerold Kny, gehört heute als Notfallseelsorger dem Kriseninterventionsteam Vogtland an. Auch er bekam die Kraftquelle von zu Hause mit, sagte der katholische Christ. Das war wohl auch der Grund, weshalb er sich am 7. Oktober geweigert hatte, mit seinen Kollegen mit dem Feuerwehrwagen als Wasserwerfer gegebenenfalls gegen die Demonstranten vorzugehen. Der Einsatzleitung schrieb er danach einen Brief und er wollte Aufklärung für diesen Einsatz. Eine Antwort auf das damals vervielfältigte und verteilte Schreiben habe er nicht bekommen.

Zuletzt äußerte sich im Kurzinterview die Pianistin Angelika Smyschlajev. Zuvor spielte sie ein Klavierstück, bevor sie die Bedeutung der Musik für ihr Leben betonte. Auch sie kam aus Russland 1996 nach Deutschland. Hier entwickelte sie ihre Fähigkeiten weiter, beispielsweise an der Orgel, an der sie auch im Gottesdienst spielt. Jetzt sei für sie ein Traum in Erfüllung gegangen. So werde die Musikerin in Chemnitz eine eigene Musikschule mit einem bisher nur erträumten Flügel aufmachen. Frau Smyschlajevs Kraftquelle seien die Menschen.

Parallelveranstaltungen und Bühnenprogramm auf dem Marktplatz

Für die Kinder war während der Festveranstaltung im St. Johannis-Kirchgemeindehaus ein Programm vorbereitet worden und zu einer Gebetsversammlung wurde in die Lutherkirche eingeladen.
Ebenfalls am späten Vormittag öffnete auf dem Altmarkt in Bühnennähe der „Markt der Möglichkeiten“ mit Präsentationen von Aussiedlervereinen und kirchlichen Einrichtungen. Auf der Bühne gab es ein buntes Programm mit Tanz, Gesang und Folklore. Ebenfalls am Altmarkt wurden für die Teilnehmer Stadtführungen angeboten. Für eine zünftige Begleitmusik von der Begrüßung bis zum Bühnenprogramm sorgte an diesem Tag ein Bläserkreis der Ev.-meth. Kirche, deren Posaunenchöre an diesem Wochenende ein Bläsertreffen hatten.

Gottesdienst in der St. Johanniskirche

Am Nachmittag begann ein Gottesdienst mit ökumenischer Beteiligung in der St. Johanniskirche. Die musikalische Begleitung oblagen Kantor Brosig mit einer Instrumentalgruppe sowie der Deggendorfer Chor.
Landesbischof Dr. Carsten Rentzing nahm in seiner Predigt Bezug auf das murrende und hadernde Volk Israel auf der Wüstenwanderung unter Mose. Ihnen dürstete und sie brauchten Wasser. Der Aufbruch der Israeliten aus Ägypten sei das „Urbild für den Weg in unserem Leben“, so Dr. Rentzing. Die Erfahrung mache wohl jeder. „Auch wir hadern“. Die Lehre daraus sei, darin nicht zu verharren und nicht die Augen vor Problemen zu verschließen. Er erzählte die Geschichte einer 100-jährigen Frau, die ebenfalls als Russland-Deutsche alles mitgemacht habe, aber trotz Leid und Krankheit ein Strahlen in den Augen hatte. Sie habe bei Nachfrage gesagt, dass der Heiland immer bei ihr gewesen sei. So sei sie nicht alleine gewesen. „Diese Frau hatte die Quelle und die Zuversicht nicht aus den Augen verloren“, sagte der Landesbischof. Keine Krise bringe uns ans Ende, so können wir fröhlich und zuversichtlich sein. Dr. Rentzing: „Nur so werden wir das Ziel gemeinsam erreichen“.

Hintergrund

Der Begegnungstag, der seit 1996 jährlich jeweils an unterschiedlichen Orten auf dem Gebiet der sächsischen Landeskirche stattfindet, ermöglicht sowohl den persönlichen Austausch unter den Spätaussiedlern als auch den Kontakt mit den Einheimischen. Der Aussiedlertag wird gemeinsam von der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens und der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) veranstaltet. Von der EKM und konkret von Bischöfin Ilse Junkermann überbrachte die Migrationsbeauftragte, Pfarrerin Cordula Haase aus Magdeburg, Grüße und begleitete den Tag.

Die Zuzugszahlen bei Spätaussiedlern sind seit einigen Jahren aufgrund veränderter Sprachanforderungen deutlich niedriger als beispielsweise in den 1990er Jahren. Sie stiegen aber seit kurzem (2014) wieder leicht an. Im letzten Jahr kamen 355 Spätaussiedler nach Sachsen. Bis zur Jahresmitte dieses Jahres waren es 150 Personen. Die Veränderungen sind aber weiterhin kaum relevant im Vergleich der Zuzüge nach Sachsen in den Jahren 2004 mit 3.826 Personen oder gar 1994 mit 17.173 Spätaussiedlern. Seit der friedlichen Revolution 1989 sind über 2,5 Millionen Aussiedlerinnen und Aussiedler, vorwiegend aus der ehemaligen Sowjetunion, nach Deutschland gekommen. Über 43 Prozent von ihnen sind evangelisch.

Begegnungstage für Aussiedler

Bühnenprogramm und Zuschauer
OKR Friedemann Oehme und Sup. Ulrike Weyer
OKR Friedemann Oehme und Sup. Ulrike Weyer
Kultur- und Sozialbürgermeister Steffen Zenner
Kultur- und Sozialbürgermeister Steffen Zenner
Deggendorfer Chor aus Bayern
Gastchor aus dem bayerischen Deggendorf
Mandy Reinhardt präsentiert die Kurbäder
Mandy Reinhardt präsentiert die Kurbäder
Herr Naumann vom Stadtmuseum und Herr Wolf mit Transparent
Herr Naumann vom Stadtmuseum und Herr Wolf
Alita Liebrecht im Gespräch mit Pfarrer Jan Schober aus Chemnitz (r.)
Pfarrer Jan Schober, Chemnitz (r.), im Gespräch mit Alita Liebrecht
Pfarrer Tischendorf sprich mit Feuerwehrmann Kny
Pfarrer Stephan Tischendorf sprich mit Feuerwehrmann Gerold Kny
Chor namens Wolga aus Wolfen
Chor namens Wolga vom Christophorushaus in Wolfen
Liturgen in der ersten Reihe im Gottsdienst
Liturgen in der ersten Reihe im Gottsdienst
Landesbischof Dr. Rentzing predigt
Landesbischof Dr. Carsten Rentzing predigt in der Johanniskirche
Zuschauer vor der Bühne auf dem Marktplatz
Zuschauer vor der Bühne auf dem Marktplatz

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