28. Landessynode - Frühjahrstagung 2023
Samstag, 22. April 2023
Eröffnung der Sitzung
Nach der Eröffnung der Sitzung hielt Pfarrer Jiří Šamšula aus der Kirche der böhmischen Brüder ein Grußwort. Er ist Gemeindepfarrer in Litomerice und richtete die Grüße der Kirchenleitung und der Gemeinden aus. Seine Kirche sei mit 30.000 Mitgliedern sehr viel kleiner als die sächsische Landeskirche, auch viele Strukturen seien anders. Aber dennoch verbinde die beiden Kirchen neben dem gemeinsamen Glauben und der langjährigen Kirchenpartnerschaft sehr viel mehr. So hätten im September 2022 beide Kirchen einen gemeinsamen Workshop bei der Vollversammlung des Rates der Ökumenischen Kirchen veranstaltet. Das Thema dieses Workshops sei „Kirche in der Säkularisierung“ gewesen – ein Thema, das beide Kirchen betreffe. Säkularisierung schmerze, aber es sei auch Herausforderung und Chance. Säkularisierung sei nicht nur Synonym von Gottlosigkeit, sondern eben auch von Entinstitutionalisierung des Glaubens, von gelebtem Glauben außerhalb von Kirchen, von individueller Glaubens- und Sinnsuche. Er daher sei sehr gespannt auf den heutigen Thementag und hoffe, viele inspirierende Impulse mit zurück in seine Kirche nehmen zu können.
Thementag »Wo kommst Du her? Wo willst Du hin? - Kirche in der Zwischenzeit«
Der Thementag der Landessynode begann mit einem kleinen Interview mit der ehemaligen Präsidentin der Landessynode, Gudrun Lindner. Sie erzählte, woher sie komme und welche verschiedenen Ehrenämter sie in der Kirche mit dem Engagement in der Gemeinde, den Ämtern in Synode, Kirchenleitung und Rat der EKD sie neben ihrem Beruf zu bekleidet hatte. Der zweite Interviewgast wurde mit dem Jugendvertreter Lukas Haugk spontan aus den Reihen der JugendvertreterInnen der Synode gefunden. Er erzählte, dass er kirchlich sozialisiert wurde, in der Kinder- und Jugendarbeit aufgewachsen sei, sich sowohl vor Ort als auch auf Landesebene in der Jugendarbeit engagiere und aktuell Physik studiere in Dresden. Er wünsche sich den stärkeren Blick auf Kinder und Jugendliche. Gudrun Lindner sehe eine große Stagnation in der sächsischen Kirche – die Themen seien seit vielen Jahren dieselben. Sie benannte die Verbeamtung, die Ausbildung und die Verwaltung als große Bereiche, in denen sie die dringende Notwendigkeit der Veränderung sehe.
Der Synodale Haugk nannte die zwei wesentlichen Austrittsgründe: Entfremdung und Kontaktverlust. Die beste Möglichkeit sei es, Menschen einzubinden, so dass sie sich willkommen und gebraucht fühlen. Es müsse auch nochmal geschaut werden, in welcher Sprache man die Menschen anspreche – das Evangelium sei zuerst den ganz einfachen Menschen gesagt worden. Oft seien die innerkirchliche und akademische Ausdrucksweise für viele nicht mehr verständlich. Dem schloss sich Gudrun Lindner an. Sie wünsche sich eine klare Positionierung zu gesellschaftlichen Themen aus dem Evangelium heraus, denn dass sie das Alleinstellungsmerkmal von uns Christen. Für den Synodalen Haugk sei der Markenkern der Kirche die Hoffnung und das Gottvertrauen, mit dem Christen diesen Herausforderungen begegneten.
Impuls des Landesbischofs
Vor seinen Impuls setzt Landesbischof Tobias Bilz ein persönliches Vorwort. In ihm erinnert er sich an seine Wahl zum Landesbischof. Der Synode sei damals bewusst gewesen, dass sie einen ehemaligen Jugendpfarrer und Landesjugendpfarrer zum Bischof wählte. Diese prägenden Erfahrungen blitzten auch in seinem Bischofsamt immer mal wieder auf. So freue er sich, wenn etwas in Bewegung komme, wenn etwas losgehe. Tobias Bilz benannte die Leitlinien der Evangelischen Jugend als nach wie vor vorzügliche Leitgedanken, die auch für die Kirche gelten könnten. Er habe als Landesbischof überlegt, ob für die Landeskirche ein Zukunftsprozess nicht sinnvoll sei - dann sei Corona gekommen und vieles zunächst in den Hintergrund getreten. Auf dem digitalen Pfarrertag 2021 habe er das „Navigieren im unbekannten Terrain“ als Thema gesetzt und wahrgenommen, dass viele Pfarrerinnen und Pfarrer eine Veränderung als notwendig ansehen. Auch auf dem Treffen der Inhaberinnen und Inhabern der missionarischen Pfarrstellen habe er viele Ideen und große Aufbruchsmotivation erlebt. Gleichzeitig sehe er, dass Zukunftsprozesse nicht von oben verordnet werden könnten. Aber es gelte, Räume zu eröffnen, in denen Ideen wachsen und Veränderungsmöglichkeiten entwickelt werden können.
In seinem Impuls ging er dann auf die aktuelle Situation der Kirche ein, in der er eine Verschnaufpause für notwendig halte. Er nahm die Geschichte von Hagar zum Anlass über notwendige Voraussetzungen eines Aufbruches in der Kirche nachzudenken. Neben der Vergegenwärtigung der Umstände, aus denen man komme, müsste auch eine Vorstellung vom Ziel existieren, auf man zusteuern wolle.
Den gesamten Bericht können Sie hier nachlesen und auch als Video anschauen.
Vortrag von Prof. Dr. Michael Domsgen
Vortrag von Prof. Dr. Michael Domsgen (Institut für Systematische Theologie, Praktische Theologie und Religionswissenschaft der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg)
Arbeit in Gruppen
Nach den Impulsen am Vormittag arbeiteten die Synodalen am Nachmittag in acht verschiedenen Gruppen zu einzelnen Aspekten der Impulse von Landesbischof Tobias Bilz und Prof. Dr. Michael Domsgen.
Nach der Kaffeepause wurden die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppen vorgestellt. Dazu hatten die Synodalen die Möglichkeit die auf Stellwänden festgehaltenen Ergebnisse anzuschauen und miteinander dazu ins Gespräch zu kommen.
Vorstellung der Initiative »Kirche die weiter geht«
Pfarrer Roland Kutsche stellte der Landesynode die Initiative „Kirche die weiter geht“ und die Initiative „Missionarische Aufbrüche“ der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche vor und erläuterte zunächst, welche Projekte hier dazu gehören. So gebe es aktuell sowohl missionarische Pfarrstellen als auch missionarische Projekte, die an unterschiedlichen Orten der Landeskirche neue Wege der missionarischen Arbeit ausprobieren.
Pfarrer Christian Heurich stellt das Gemeindegründungsprojekt „aufleben Dresden“ vor. Er ist als Pfarrer in einen Dresdner Co-Working-Space gezogen und versucht unter Menschen, die in großstädtischen Milieus keine Verbindungen und Begegnungen mit Kirche haben, Wege zur Verkündigung des Evangeliums zu suchen. Dazu hat sich inzwischen ein Kreis von Ehrenamtlichen, eine Gemeinschaft gebildet. Eine Lernerfahrung sei gewesen, das richtige Maß von Beziehung und Veranstaltung zu finden. Das Finden zum Glauben dauere eine lange Zeit, hierzu brauche es Geduld und einen langen Atem. Sie bewege die gemeinsame Frage: Was brauchen glaubensunerfahrene Menschen von uns als Christen und als Kirche?
Fanny Lichtenberger stellt das Projekt „Projekt-Raum-Kirche“ vor, das ein Projekt der Kirchgemeinden im Leipziger Südwesten ist. Als Koordinatorin des Projektes habe sie zunächst die Aufgabe gehabt, Bedarfe im Stadtteil zu identifizieren und Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartner zu finden. Ziel sei es, das Miteinander im Stadtteil zu fördern. Entstanden sei inzwischen ein regelmäßiges Stadtteilfrühstück, an dem sich viele Menschen beteiligen und welches inzwischen auch durch die Stadt Leipzig unterstützt werde. Ein zweiter Schwerpunkt des Projektes sei die Frage, wie Kirche sich an Themen beteiligen könne, die in der Gesellschaft gerade diskutiert werden. Hieraus habe man in Zusammenarbeit mit der Leipziger Diakonie und der Leipziger Caritas eine Lesung mit der Theologin Sarah Vecera „Wie ist Jesus weiß geworden“ sowie einen Workshop im Rahmen der „Internationalen Woche gegen Rassismus“ veranstaltet.
Julia Schäfer und Julia Markstein stellten der Synode das Projekt „Jesus in der Bahnhofsvorstadt“ vor, welches ein missionarisches Projekt der Kirchgemeinde Zwickau-Nord ist. Im Rahmen des Projektes veranstalten sie Spielplatz-Aktionen, Lampionumzüge und Bastelaktionen in der Bahnhofsvorstand. Nach dem ersten Knüpfen von Kontakten wird versucht, diese Beziehungen mit neuen Aktionen und Einladungen zu vertiefen. Gerade an diesem Tag sei gemeinsam mit anderen Initiativen ein Anwohner-Flohmarkt veranstaltet worden. Eine Erfahrung sei, dass es nicht immer Großveranstaltungen brauche, sondern die direkte Begegnung und das Zuhören wichtig sei. Es würden keine Mitarbeitenden aus Kirchgemeinden abgezogen, sondern Freiraum zum Mitwirken gelassen. Man versuche Schönes wie den Park vor Ort zu sehen und zu nutzen. Es werde nichts perfekt vorbereitet, sondern gemeinsam mit den Leuten, die da sind, zu etwas gemeinsamen entwickelt. Darüber seien ganz neue Netzwerke im Stadtteil entstanden. So gebe es auch eine Kooperation mit den Flüchtlingsbeauftragten, worüber nochmals andere Menschen erreicht würden.
Die Ortschatz-Bewegung in Mülsen stellte Frank Reuter vor. Zusammen mit einem „Dreamteam“ versucht er Beziehungen im Ort zu knüpfen. In diesem Zusammenhang habe er ein neues Konfi-Konzept entworfen, um sich für die 34 Teenager mit ihren Fragen Zeit zu nehmen. Die jugendlichen Teamer werden durch das Projekt intensiv begleitet und investieren diese dann in die Kleingruppen mit den Konfis. Auch die Eltern dieser Konfis werden angesprochen und begleitet. Und auch die Klassenkameradinnen und Klassenkameraden der Konfis sollen künftig angesprochen werden. Dazu gebraucht werde ein Treffpunkt, an dem Jugendliche sich wohl fühlen. Die Erfahrung sei, dass Kirchen und Gemeindehäuser hierfür nicht geeignet seien. Ein Ort müsse aber gemeinsam gebaut werden, an diesem Ort müssten alle mitwirken und mitbauen können. Auf der Strecke geblieben seien die Unterweisung in lutherischen Bekenntnissen, Abendmahl und Reformation. Aber man gehe davon aus, dass Konfis in ihrem Glaubensleben noch am Anfang stehen – und Petrus damals auch nicht viel von Jesus wusste, als er sich entschloss das Netz wegzulegen und Jesus nachzufolgen.
Martin Gröschel stellt das Projekt „Jahr der Erprobung“ im Kirchenbezirk Marienberg vor, welches bereits vor einigen Jahren im Kirchenbezirk Marienberg entstand. Das Ziel des Projektes war es, dass Gemeinden eine missionarische Haltung entwickelten. Zunächst einmal sollte durch das Wahrnehmen der Situationen Ideen entwickelt werden, die dann in einem weiteren Schritt erprobt werden sollten. Durch die Strukturreform und die Corona-Pandemie wurden viele Veranstaltungen in den Gemeinden dazu nicht durchgeführt. Unter Pandemie-Bedingungen wurde das Projekt „Jahr der Erprobung 2.0“ dann noch einmal neu gestartet: „Erproben ist, wenn es anders weitergeht!“. Anders als bisher wurde nicht an Projekten, sondern bei Menschen angesetzt. Der Weg sei oft unauffällig, es seien keine Großveranstaltungen, sondern viele kleine Gruppen. Aber der multiplikatorische Ansatz biete viele Chancen und Möglichkeiten. Man gehe ganz bewusst in kleinen Schritten mit der Haltung: „Jesus habe 12 Jünger berufen um die ganze Welt zu missionieren – wir wollen das nur im Kirchenbezirk Marienberg tun!“
Alle Projekte finden sich hier: www.kirche-die-weiter-geht.de